Da war sie wieder, die Debatte, die mich seit etlichen Jahren verfolgt.
Auf einer Tagung über Automobil-Elektronik mit 120 Männern und 3 Frauen wurden um mich herum Erinnerungen ans Studium
ausgetauscht.
Bei mir war es Elektrotechnik: 4 Frauen, 300 Männer.
Und immer noch dieselben, teilweise stammtischlerisch gefärbten Fragen.
"Sind Frauen etwa von Natur aus technikfeindlich ?
Nein, einparken können hat damit nichts zu tun, bitte !
Eher der Spaß am Zerlegen von Motorradgetrieben - und Frauen, die sich dafür begeistern, sind in der Tat selten.
Aber es gibt welche. Also, naja, ich kenne eine."
Und Spaß an Elektronik oder am Computer ?
Am Entwickeln von Schaltungen, am Löten, am Programmieren ?
Doch, überall trifft man auch solche Frauen - vereinzelt zwischen hunderten von Männern.
Aber wieso rede ich dauernd von Spaß ?
Reicht nicht Interesse ?
Meinen (nicht repräsentativen) Beobachtungen zufolge wohl nicht.
Spaß oder Begeisterung ist jedenfalls das, was ich empfinde, wenn ich PC, Compiler, Bibliotheken und Betriebssystem nach
stundenlangem Ringen endlich dazu gebracht habe, das zu tun, was ich als ihr Meister befehle.
Von wegen ein Computer ist blöd und tut nur genau das, was man ihm sagt.
Ins Gesamtsystem haben sich schließlich tausende von menschlichen Entwicklern zum Teil sehr persönlich eingebracht -
aber diese schrulligen Abweichungen von dem, was sein sollte, machen ja erst die Herausforderung Technik aus.
Was also unterscheidet die Geschlechter beim Thema Technik ?
Mehr die Biologie oder die Soziologie ?
Ich habe bisher weder im wissenschaftlichen noch im menschlichen Umfeld eine Theorie gefunden, die gleichermaßen fundiert
wie überzeugend ist.
Fatalerweise erscheint mir mittlerweile eine wenig fundierte Theorie umso plausibler, je länger ich sie zu widerlegen versuche. Das Resümee empfindet vermutlich nicht jedes Mitglied der "männlichen Rasse" als schmeichelhaft, aber letztlich läuft es darauf hinaus, dass Männer zeitlebens Kinder bleiben, Spielkinder halt, technikverliebte Jungs.
Technik ist in Wirklichkeit nichts anderes als Spielzeug, das im Laufe eines Männerlebens nur raffinierter und kostspieliger gerät. Stammt es anfangs noch unverhohlen aus dem Spielzeugladen, greift der erwachsene Mann später zu PCs, HiFi- oder Heimkino-Anlagen, Handys oder Hightech-Fahrrädern. Rund um die Midlife-Crisis sind es dann immer "individuellere", sprich spleenigere Autos. Manche Kinder bleiben sich aber auch treu und kultivieren zeitlebens ganz offen ihr Lieblingsspielzeug, die Modelleisenbahn. Vermutlich sind alle anderen Ausprägungen sowieso nur Sublimation.
Und wenn wir uns auch in dieser Ausgabe ganz freimütig mit einem Titelthema für große Kinder bei unseren Leserinnen outen - wir geben die Hoffnung nicht auf, doch die eine oder andere verkappte Gamerin auf unsere Seite zu ziehen.
In diesem Sinne
Detlef Grell
aus dem Editorial der c't 5/2003 vom 24.02.2003